Ein radikal anderer Vorschlag zur Lösung des Problems kam daher Ende 2020 ins Spiel, als der „Nürnberg-Fürther Stadtkanalverein e.V.“ seine Ideen zum Thema vorstellte. Was es damit auf sich hat, haben wir uns vom Vereinsvorsitzenden Theobald Fuchs erklären lassen.
Wir entwickeln einen Plan, wie die innerstädtische Autobahn, der „Frankenschnellweg“, durch eine grüne Kanallandschaft ersetzt werden kann, die für alle Bürger*innen Vorteile bereit hält: Bessere Luft, Kühlung in heißen Sommern, Freizeit, Radschnellwege, Hunderte Kleingärten, Sportmöglichkeiten, Flächen für Schulen und Vereine.
Wenn man sich ein wenig mit dem Thema beschäftigt, wird schnell klar, dass die Idee alles andere als exotisch ist. Andere Städte haben bereits die Umwandlung einer Straße in eine Wasserlandschaft vollbracht – Seoul, Utrecht, Siegen. Und wenn die Meisten ein Weilchen nachgedacht haben, erkennen sie die riesigen Chancen, die ein Kanal mit Grün, Freiräumen und Booten einer Stadt im 21. Jahrhundert bietet. Wir bekommen oft zu hören, dass unsere Idee sogar der (bisher) vernünftigste Vorschlag zur Lösung des FSW-Problems sei.
So wie jedes Dorf seine Umgehungsstraße hat, führen auch um Nürnberg herum weiträumig Autobahnen. Hier muss der Transitverkehr hin, der in Wohnvierteln nichts zu suchen hat. Ein Teil des derzeitigen Verkehrs wird vom Kanal übernommen, dank VGN-Bootsverbindungen und Radschnellwegen. Der Rest verteilt sich oder verschwindet – weil die Leute weniger fahren werden. Es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass gut ausgebaute Stra-
ßen Autos anlocken. Verkehr wird erzeugt, indem man Raum dafür schafft. Umgekehrt wird ein Rückbau von Straßen den Verkehr vermindern. Beim geplanten Ausbau des FSW würde übrigens das Gleiche passieren. Während zehn bis zwölf Jahren Bauzeit ginge kaum noch etwas vor oder zurück. Die Autofahrer*innen würden sich eh nach einer Alternative umsehen müssen.
Ein interessanter Punkt. Momentan wird die Autobahn als Kreisstraße deklariert, heißt: Die Stadt Nürnberg ist zuständig, obwohl der FSW auf der Trasse des alten Ludwig-Donau-Main-Kanals verläuft und demnach die Fläche dem Land Bayern gehört. Nürnberg muss für die Folgekosten zahlen: Reparatur, Lärmschutz, Ampelanlagen, Reinigung usw. Alles Kosten, für die nichts zurück kommt. Da die Landes- und Kommunalpolitik in Bayern relativ stark aufeinander abgestimmt sind, denken wir: ja. Würden die Städte sich entscheiden, ginge das Land mit.
Unsere Vereinssatzung sieht vor, dass der zukünftige Kanal in Form einer Genossenschaft betrieben wird. Diese würde die Nutzung der gemeinschaftlichen Flächen regeln: Radwege, Gartenparzellen, Schwimmbäder, Gewerbegebiete, Biergärten, das Freilicht-Auditorium. Die Stadt würde aber auch einen Teil der Flächen übernehmen. Die VAG entwirft einen neuen Netzfahrplan mit Boots-Linie. Gemeinschaftliche Flächen würden nicht verkauft, sondern verpachtet. Die ca. 40 Hektar, um die es geht, sollen im Besitz der Stadtgesellschaft bleiben. Im selben Moment, in dem die Betonpiste für den Verkehr gesperrt ist, verändert sich die Stadt, das Lebensgefühl, das Klima. Ab dann werden die Menschen die neuen Flächen in Besitz nehmen und ihre Umgebung selbst gestalten – gemeinsam, frei, kreativ, demokratisch, vielfältig, umweltbewusst. Das ist eine sehr romantische Vorstellung – aber wenn man die Welt zum Besseren ändern will, muss man sich positive Ziele stecken, oder?